Symbolbild zur Arbeitszeitenerfassung, eine Frau in Treppenhaus an Stechuhr
Symbolbild Arbeitszeiterfassung (Quelle: Susanne Plank auf pixabay)

Unternehmensführung 14. December 2022 Arbeitszeiterfassung: BAG Urteilsgründe bringen Entwarnung

Im September 2022 hat das BAG in einem Grundsatzurteil, die generelle Pflicht festgestellt, Arbeitszeiten hierzulande zu erfassen. Offen blieben Details hinsichtlich der Umsetzung. Nun zeigt sich: Der Handlungszwang ist weniger dringend.

Nachfolgend zum eigentlichen Urteil Mitte September hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun auch seine Urteilsgründe veröffentlicht. Demzufolge kommen auf Arbeitgeber weit weniger Veränderungen zu als erwartet. Im Gegenteil ändert sich zunächst faktisch nichts, folgert der Zentralverband Handwerk (ZDH).

„In den Urteilsgründen setzt sich das BAG ausführlich mit dem Verhältnis des Arbeitsschutzgesetzes zum Arbeitszeitgesetz auseinander. Im Ergebnis leitet das Gericht aus dem Arbeitsschutzgesetz eine alle Arbeitgeber treffende Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit ab - ungeachtet des spezielleren Arbeitszeitgesetzes, das insoweit keine generelle Aufzeichnungspflicht normiert“, folgert auch der Bundesverband LandBauTechnik: „In den Urteilsgründen führt das BAG aus, dass ohnehin alle Arbeitgeber schon kraft Gesetzes verpflichtet seien, ein System einzuführen, mit dem die gesamte Dauer der Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden im Betrieb erfasst werden müssten. Eine Pflicht der Arbeitgeber, ein System einzuführen, um sämtliche Arbeitszeiten im Gemeinschaftsbetrieb zu erfassen, ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz – ungeachtet des allgemeinen Wortlauts dieser Regelung.“

Kaum Folgen für Betriebspraxis

Zu den Folgen des Urteils für die Betriebspraxis führt das Gericht aus, dass grundsätzlich für alle Arbeitgeber eine objektive gesetzliche Handlungspflicht bestehe, ein System einzurichten, mit dem Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden der Arbeitnehmer erfasst würde. Ausdrücklich weist das Gericht aber darauf hin, dass – solange der Gesetzgeber keine anderweitigen konkretisierenden Regelungen getroffen habe – ein erheblicher Umsetzungsspielraum fortbestünde, analysiert der ZDH weiter. So könnten weiterhin die Besonderheiten der Tätigkeitbereiche, die Eigenheiten und insbesondere die Größe des Unternehmens berücksichtigt werden. Auch müsse die Arbeitszeiterfassung nicht zwingend elektronisch erfolgen, sondern die Papierform könne weiter genügen. Ebenso sei eine Delegation der Aufzeichnungspflicht auf die Arbeitnehmer weiterhin möglich.

Weiter Gestaltungsspielraum

Daraus lässt sich für den LBT ableiten, dass bei der Ausgestaltung der Erfassung von Arbeitszeit auch auf der Grundlage dieses Beschlusses ein sehr weiter Gestaltungsspielraum bestehen bleibt. Das BAG bestätigt nicht nur die Möglichkeit der Delegation, es bestätigt darüber hinaus die Möglichkeit, Art und Weise der Aufzeichnung (z. B. Schriftform) zum jetzigen Zeitpunkt weitgehend durch den Arbeitgeber zu bestimmen. Auch zum Zeitpunkt der Aufzeichnung enthält der Beschluss keine einschränkenden Vorgaben. Lediglich die Ausführungen des Gerichts zur Anwendbarkeit der im Arbeitszeitgesetz normierten Ausnahmen von Aufzeichnungspflicht für bestimmte Arbeitnehmer – wie insbesondere leitende Angestellte (Rz. 56 und 57) – lassen offen, ob diese Regelungen weiterhin Bestand haben.

Elektronische Erfassung noch nicht verpflichtend

Für die Arbeitgeber im Handwerk ist laut LBT von besonderer Bedeutung, dass bei der Auswahl der Form der Arbeitszeiterfassung vor allem die Besonderheiten der jeweils betroffenen Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmer und die Eigenheiten des Unternehmens – insbesondere seiner Größe – weiterhin berücksichtigt werden können. Es sei somit davon auszugehen, dass die in vielen Handwerksbetrieben oft noch anzutreffenden händischen oder auf die Arbeitnehmer delegierten Formen der Arbeitsaufzeichnung bis auf weiteres rechtmäßig sein dürften. Eine allgemeine Pflicht zu Einführung elektronischer Arbeitszeiterfassungssysteme besteht jedenfalls nicht. Es sei jedoch zu erwarten, dass das Bundesarbeitsministerium die Entscheidung zum Anlass nehmen wird, die gesetzlichen Bestimmungen zur Arbeitszeiterfassung neu zu regeln.

zuletzt editiert am 14.12.2022